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Schattenseiten – wenn die Schwangerschaft und Geburt kein Glücksmoment war
Kim Kolb
Geburtstraumata sind keine Seltenheit. Jede 7. Frau ist davon betroffen und häufig entwickelt sich dadurch eine Wochenbettdepression. Trotzdem ist es ein riesiges Tabuthema in unserer Gesellschaft. Manche Frauen sind noch viele Jahre oder sogar Jahrzehnte nach der Geburt oder Fehl- bzw. Totgeburt ihres Kindes stark belastet.
Sogar engen Angehörigen fällt es schwer, die „richtigen“ Worte zu finden. Diese findet Kim Kolb, Sozialpädagogin und Traumafachberaterin aus Freising. Sie bietet in ihrer „Beratungspraxis Sichtwechsel“ Einzelberatungen an. Seit diesem Jahr finden mit ihr Seminare im Zentrum der Familie des Kath. Bildungswerkes Erding e. V. statt. Einen Einblick in die Hilfestellungen, die Kim Kolb geben kann, gibt folgendes Interview:
Viele Frauen berichten über schwierige Momente in der Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbettzeit mit ihrem Kind. Aber wie merkt man, ob man ein Geburtstrauma oder eine Wochenbettdepression hat?
Fr. Kolb:
„Wenn ich von einem Geburtstrauma spreche, bezieht sich das meist nicht nur auf die Geburt selbst, sondern auch auf die Belastungen in Schwangerschaft und Wochenbettzeit. Die Gründe, warum Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbettzeit als belastend oder gar traumatisch erlebt werden, sind sehr vielfältig und stets individuell.
Häufig sind es extreme Ängste vor einem Kindsverlust, insbesondere dann, wenn bereits eine oder mehrere Fehlgeburten erlebt wurden.
Auch andere gravierende Ereignisse, wie Trennungen, finanzielle Sorgen, Stresssituationen im Beruf oder privaten Umfeld, können Schwangerschaften belasten und zu langfristigen Problemen führen. Hauptgründe sind jedoch oftmals Erfahrungen, die die Frauen aus ihrer Vergangenheit – insbesondere der Kindheit – mitbringen. Viele Frauen waren in ihrem Leben bereits mit häuslicher, psychischer oder sexueller Gewalt konfrontiert. Ereignisse wie Schwangerschaft und Geburt können durchaus solche Erinnerungen wieder ins Gedächtnis rufen und selbst nach vielen Jahren noch zu Problemen führen.
Während der Geburt sind diese negativen Erlebnisse in der Vergangenheit, aber auch die Betreuung durch das Klinikpersonal sowie die soziale Unterstützung durch Familie und Begleitperson entscheidend. Oft werde ich gefragt: Was sind Anzeichen für ein Geburtstrauma? Typisch sind Symptome wie häufiges Weinen und Grübeln über das Erlebte. Oder Albträume, Angst- und Panikgedanken, Versagensgefühle und Schuldgefühle. Verstärkt wird das durch die Unsicherheit, der Mutterrolle nicht gerecht zu werden. Plötzliche Reizbarkeit und Aggressionen sind ebenfalls Anzeichen für ein Geburtstrauma.“
Oft braucht es lange, sich im seelischen Bereich Hilfe zu holen. Kommen die Frauen häufig zu spät zu Ihnen? Gibt es Berührungsängste oder wie können Sie Frauen ermutigen, diesen Schritt zu gehen? Fr. Kolb: „Ein ‚Zu-spät‘ gibt es nicht – selbst, wenn eine traumatische Geburt Jahre zurückliegt. Manchmal braucht es allerdings viel Zeit, bis die Mutter den Mut findet, sich Unterstützung zu holen. Frauen erzählen mir, dass Sie Angst haben „verrückt“ zu werden oder dauerhaft psychologische Hilfe zu benötigen – sie wollen nicht ‚krank‘ sein.
Zudem ist das Thema nicht „gesellschaftsfähig“ und wird meist mit Worten wie „Stell dich nicht so an“ oder „Sei doch froh, dass du ein gesundes Kind hast“, oder auch Sätzen wie „Was meinst du, wie es mir damals erging“, abgetan. Die Frauen spüren aber ihre Qual, ignorieren jedoch ihre Gefühle, aus Angst vor der Reaktion Außenstehender. Ich wünsche mir sehr, dass mehr Frauen den Mut finden, sich professionell helfen zu lassen. Insbesondere, um einen guten Weg für sich und das Kind zu finden und eine gesunde und sichere Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Enttäuscht über die Geburt zu sein, so dass ein weiterer Kinderwunsch unterdrückt wird, ist schrecklich.“
Nahmen die Belastungen während der Geburten in der aktuellen Corona-Pandemie zu?
Kim Kolb:
„Leider ja. Auch hier zeigen sich Schattenseiten der Corona-Maßnahmen, insbesondere was die psychische Gesundheit betrifft. Viele Frauen berichten, dass sie die Schwangerschaft aufgrund der Pandemiesituation mit sozialer Isolation und Homeoffice als sehr belastend erlebt haben. Auch das Virus selbst hat viele Ängste verursacht, vor allem, inwieweit der Fötus im Mutterleib Schaden nehmen kann.
Viele Frauen hat belastet, dass der Partner nicht – oder nur während der Austreibungsphase – bei der Geburt anwesend sein durfte. Die Regelungen dazu werden in den Krankenhäusern sehr unterschiedlich umgesetzt. Die Frauen waren also der Geburtssituation allein ausgesetzt. Selbst sehr fürsorgliches Kreißsaal-Personal gerät hier schnell an seine Grenzen, wenn der Betreuungsschlüssel bei 1:5 liegt, was bedeutet, dass eine diensthabende Hebamme für fünf gebärende Frauen zuständig ist. Hier ist eine ausreichende psychosoziale Versorgung unmöglich. Hier hat jedoch nicht das Kreißsaal-Personal die Schuld, sondern der Gesetzgeber, der durch weitreichende
Einsparmaßnahmen diesen Zustand zu verantworten hat. Gerade die Frauen, die besondere Hilfe während der Geburt benötigen, weil sie diesen Akt mit Gefühlen von Hilflosigkeit, Angst und Ausgeliefertsein verbinden, sind massiv benachteiligt.“
Wie können Sie den Frauen helfen? Fr. Kolb: „Die Grundsätze meiner Arbeit sind ein empathischer und wertschätzender Umgang mit jeder Frau und die Offenheit für das Thema. Ich lege viel Wert darauf, die Frauen zu stabilisieren, arbeite an den Stärken und an einem positiven Selbstbild.
Ich bestärke sie dabei, bindungsorientiert mit ihrem Baby umzugehen. Eine sichere Bindung zum Kind ist wichtig, um langfristige Schäden zu vermeiden. Ich bringe sie behutsam in die Auseinandersetzung mit dem belastenden Erlebnis und lehre sie Techniken der Verarbeitung.“
Stille Geburten (Todgeburten) gehören zu den schlimmsten Momenten, die eine Frau, eine Familie und auch Hebammen und Ärzten ertragen müssen. Wie erreichen Sie die Betroffenen?
Fr. Kolb
: „Diese Frauen zu identifizieren, ist schwierig; ich versuche das durch gute Vernetzung. Häufig sind Klinikpersonal, Sternenfotografen oder Hebammen die Ersten, die mit ihnen in Kontakt kommen; sie stellen meist eine Vertrauensperson für die Frauen dar. Aber nur, wenn diese Fachpersonen für das Thema sensibilisiert sind, verweisen sie auf professionelle Hilfen.“
Nehmen auch Hebammen und Ärzte Ihre Hilfe in Anspruch?
Fr. Kolb
: „Ich versuche, diese Berufsgruppen ebenfalls zu erreichen, und lege auch hier großen Wert auf eine gute Vernetzung. Für Hebammen sowie medizinisches und pädagogisches Personal habe ich mittlerweile Fortbildungen zum Thema „Geburtstraumata und Wochenbettdepressionen“ entwickelt und vermittle neben theoretischem Input sehr praktische Tipps im Umgang mit Betroffenen. Mein Ansatz ist, möglichst viele Fachpersonen für das Thema zu sensibilisieren. Je feinfühliger das Personal agiert, desto früher finden Frauen die Unterstützung, die sie brauchen.
Die Fortbildung ist mit umfangreichen 16 Unterrichtseinheiten (UE) festgesetzt, was ein großer Ansporn für Hebammen ist, diese zu besuchen“.
Fehlgeburten bleiben meist im Geheimen, nur sehr wenige Frauen reden darüber. Warum ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen?
Fr. Kolb
: „Viele Frauen, die ihre Babys in sehr frühen Schwangerschaftswochen verloren haben, hören viel zu oft Sätze wie „Ihr könnt ja immer noch Kinder bekommen“ oder „Du warst ja erst in der 10 SSW, da kann sowas schon mal passieren.“ Aber eine Mutter wird nicht erst zur Mutter durch die Geburt, sondern schon in der Sekunde, in der sie erfährt, dass Sie schwanger ist. Auch hier geht es erneut um ein Tabuthema, nämlich um die Diskussion, wann Leben anfängt.
Die Schwangere entwickelt Vorfreude, plant das Leben mit ihrem Baby und dann passiert es, dass dieser geliebte kleine Mensch stirbt. Trauer, Enttäuschung und Hilflosigkeit überfallen diese Frau. Verarbeiten wir diese Gefühle nicht, kann es sein, dass sie uns wieder einholen. Nicht selten habe ich Frauen bei mir in der Praxis, die genau das erlebt haben. Sie sind erneut schwanger und neben der Vorfreude begleiten sie die nackte Angst und die schlimmen Erfahrungen der vorherigen Schwangerschaft.
Niemand kann das verlorene Baby zurückholen oder das negative Erlebnis löschen, aber die Bewertung und die belastenden Gefühle lassen sich verändern; das öffnet einen neuen Weg ins Leben. Aber nicht nur die Frauen trauern, auch Väter leiden um den Verlust ihres Kindes. Deshalb berate ich auch immer Paare und biete Paarkurse an. “
Was müsste sich, aus Ihrer Sicht, bei uns in der Vorbereitung auf die Geburt und während der Geburt verändern, damit Frauen nicht mehr in traumatisierende Situationen kommen?
Kim Kolb
: „Die Frauen haben viele Ängste und selten jemanden, der auf diese Ängste eingeht. In meinen Geburtsvorbereitungskursen versuche ich, den Frauen Strategien beizubringen, mit ihren Ängsten umzugehen.
Zudem halte ich es für sehr wichtig, mit den Frauen Krisenpläne zu entwickeln und sie auf ihre eigenen Wünsche und mögliche Grenzen während der Geburt vorzubereiten. Selbstbestimmung bedeutet für mich immer auch Selbstverantwortung. Ich versuche, die Frauen psychosozial so zu stärken, dass sie im Idealfall niemals in meiner Praxis mit einem Geburtstrauma landen“.
Frau Kolb bietet im „Zentrum der Familie Erding und Taufkirchen/Vils“ Kurse zu „Selbstbestimmter Schwangerschaft und Geburt“, „zur Väter-Geburtsvorbereitung“ und „Schweren Geburt“ sowie Seminare zur „Kaiserschnittgeburt“ und zum Thema „Sternenkinder“ (Fehlgeburten und stille Geburten) an. Die Veranstaltungen finden online oder in Präsenz statt. Termine und mehr Infos erhalten unter www.zentrumderfamilile-erding.de
Text: Christiane Maasberg, Referentin für Familienbildung im ZdF/KBW Erding (Fragen) und Kim Kolb (Antworten)
Kontakt für Rückfragen: Andrea Rainer, Kundenmanagement, Presse und Werbung im ZdF Erding
Quelle: Katholisches Bildungswerk Landkreis Erding e.V.
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